Dürrenmatt – Eine Liebesgeschichte
Sabine Gisiger, Suisse, 2014o
"Dürrenmatt – Une histoire d'amour" constitue un hommage cinématographique au penseur, à l'écrivain, au peintre et à l'homme qu'était Friedrich Dürrenmatt. Au cœur du film : l'histoire d'amour de Friedrich Dürrenmatt et de son épouse Lotti Dürrenmatt-Geissler. 40 années durant, ils entretinrent une relation fusionnelle : il ne créait pas d'œuvre sans en avoir parlé avec elle, n'assistait pas à une répétition sans elle. Au fil des ans, leur relation devint de plus en plus problématique. Après la mort de Lotti en 1983, Dürrenmatt traversa une crise profonde dont seul un nouveau grand amour réussit à l'extirper.
Man spürt, dass Gisiger ihren Protagonisten mag. Sie lässt das Material für sich sprechen und macht keine stilistischen Mätzchen. Dadurch kommt man dem «Gedankenschlosser», wie er sich selbst nannte, sehr nahe und bekommt grosse Lust, mal wieder etwas von ihm zu lesen. Was will man mehr?
Thomas BodmerSeine Werke Der Richter und sein Henker oder Der Besuch der alten Dame sind Schulpflichtlektüren. Sabine Gisigers Porträt des Schweizer Schriftstellers ist eine begeisterte – und begeisternde – Annäherung an ihn. Anhand von Selbstzeugnissen und Erzählungen von Familienmitgliedern entsteht das Bild eines leidenschaftlichen Denkers und Zweiflers, in dessen Zentrum die Liebe Dürrenmatts zu seiner Frau Lotti steht.
Martina KnobenGalerie photoso
Sabine Gisigers Dokumentarfilm Dürrenmatt: Eine Liebesgeschichte erzählt nicht nur vom Schriftsteller, sondern auch vom Ehemann und Vater – fein, behutsam und elegant.
Es gab im weiträumigen, weitgreifenden Denken des Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt vielleicht dieses eine Überzeugungszentrum: dass die Schöpfung im Umgang mit ihren Geschöpfen einen gewaltigen Humor habe. Dass Gott, gäbe es ihn, ein Humorist von unschuldiger Grausamkeit sei und ein Sprengmeister mit einer Freude an kosmischen Explosionen. Und dass man also nur die Möglichkeit hätte, mit ihm zu lachen – sei es, sich zu Tode zu lachen oder sich gegen ihn zu Tode zu ärgern, was aber die lächerlichere Sterbeart wäre. Die Erkenntnis, erzählte Dürrenmatt gern, sei ihm aufgegangen, als er am gleichen Tag zweimal auf demselben Hundedreck ausrutschte, und im objektiv humorvollen Staunen eines Gartenarbeiters, der ihm zweimal dabei zusah.
Das ist nun der eine originale Dürrenmatt in Sabine Gisigers Dokumentarfilm Dürrenmatt: Eine Liebesgeschichte (die erweiterte Fassung der Fernsehproduktion Friedrich Dürrenmatt im Labyrinth, die auch schon eine Liebeserklärung war): der mit dem unmässigen Appetit auf die Möglichkeiten des Guten, Bösen und Verrückten im menschlichen Individuum; der ordnende Dramaturg einer chaotischen Kosmoskomödie und der Geniesser erdachter apokalyptischer Zusammenhänge. Davor sitzt er wie ein Gourmet vor einer Bernerplatte (wenn man eine der schönsten, den Dürrenmatt-Archiven entrissenen Szenen im Film metaphorisch nimmt). Jede seiner Pointen ist ein «Blitzlicht» seiner Fantasie, um mit dem Kritiker Reinhardt Stumm zu reden; und das Fantasiemass zwischen dem, wovon er ausging, und dem, worauf er kam, ging bei diesem Kuriosen ja gegen unendlich.
Berührende Verlorenheit
Der andere Dürrenmatt bei Sabine Gisiger ist der, dem seine erste Frau starb, das Lotti, die Begleiterin über 36 Jahre. Das war die Schauspielerin Lotti Geissler, mit der er drei Kinder hatte. Nach ihrem Tod im Januar 1983 muss es gewesen sein, als tue der Boden sich wirklich auf unter dem grossen Verlacher einer grundlosen Welt. Dieses Sterben war eine Katastrophe. Ein verlorener Dürrenmatt erscheint da in Gisigers Film. Wenn er über seine Verlorenheit spricht, dann sind es nicht gescheite Aperçus und souveräne intellektuelle Mäander, sondern berührende, einfache Wahrheiten: dass man auf sich selbst zurückgeworfen sei und neuen Boden suchen müsse und neuen Sinn. Und eine Liebes- und Familiengeschichte erscheint: in den wenigen Bildern, die es von Lotti gibt, und in Interviews mit der Tochter Ruth, dem Sohn Peter und der Schwester Verena, die den berühmten Vater und Bruder erden als Papi und Fritz mit eingeschränkter Fähigkeit zur Nähe.
Ein feiner, behutsam und elegant montierter Film ist das. Er verflicht die Lebenswelt, so weit die Quellen es zuliessen, mit der dürrenmattschen Theaterwelt (über beiden liegt der Schatten des Absterbens und die Nostalgie nach der alten Vitalität). Viel verdankt er den Fernseharchiven, die uns den Friedrich Dürrenmatt in seiner sonoren Heiterkeit bewahren, und einiges insbesondere dem etwas preziösen Dokumentarfilm Porträt eines Planeten (1984) von Charlotte Kerr; Ehre, wem Ehre gebührt.
Wollust an der Groteske
Im Wesen unterscheidet sich Gisigers «Liebesgeschichte» allerdings ganz und gar von jenem planetarischen Dürrenmatt-Bild. Sie baut nicht am kosmischen Monument, sie will an den Mann in seiner Wollust an der Groteske und, auch das, in seiner egozentrischen Einsamkeit. Jene Charlotte Kerr (1927–2011), ehemals Schauspielerin auch sie (Raumpatrouille Orion), hat Dürrenmatt ja im Übrigen 17 Monate nach Lottis Tod geheiratet, und nach dem seinen wachte sie eifersüchtig über ihre Deutungshoheit als Witwe. Es ist in Dürrenmatt: Eine Liebesgeschichte nicht viel von ihr die Rede.
Nur Ruth, die Tochter, erzählt eine kleine Geschichte voll schwarzromantischer Hinterlist: wie es kam, dass die Asche des Vaters und die der ersten und der zweiten Lotti nun unter derselben Trauerbuche begraben seien, obwohl die zweite Lotti, die keine Ahnung gehabt habe vom Grab der ersten, gewiss allein bei ihrem Fritz habe liegen wollen. Und im Hintergrund, scheint es, lacht da leise Dürrenmatts Geist.