Nemesis
Thomas Imbach, Suisse, 2020o
Le film explore la destruction d’une gare unique à Zurich et la construction d’une nouvelle prison et d’un centre de police à sa place. Vu de la fenêtre du cinéaste, et avec le témoignage de réfugiés en attente d’expulsion, le film scrute la façon dont nous faisons face à l’extinction de l’histoire et à son remplacement par une sécurité totale.
Zwei Jahre nach seinem Langzeit-Tagebuchfilm Day Is Done stellte der Zürcher Regisseur Thomas Imbach nochmals die Kamera ins Fenster seines Ateliers und filmte während sieben Jahren den Abriss des alten Güterbahnhofs, das Leben auf der zurückbleibenden Brache, schliesslich den Bau des neuen Polizeizentrums und Untersuchungsgefängnisses. Abermals gelingen ihm mit verblüffenden Beobachtungssplittern, Zeitrafferaufnahmen und einem fabelhaften Soundtrack absolut berückende Sequenzen, während er auf der Tonspur über die Todesfälle in seinem Umfeld sinniert, Aperçus über den Schweizerischen Umgang mit dem Fremden einstreut und Ausschaffungshäftlingen eine eindringliche Stimme verleiht. Ein Essayfilm voller Denkanstösse und vor allem eine Augenweide.
Andreas FurlerGalerie photoso
«Nemesis» von Thomas Imbach dokumentiert den Abbruch des historischen Güterbahnhofs. Vorerst ist der Film im Netz zu sehen, wie fast das gesamte Programm des Dokumentarfilmfestivals.
Was knabbert da an der Backsteinwand? Es ist der Abbruchbagger, es sieht aus, als beisse er in einen grossen Butterkeks. Jetzt wird eine Gusseisensäule geknickt, nun kommen schon die grauen Duplo-Steine, sie werden ineinandergesteckt für das neue Polizei- und Justizzentrum in Zürich, das unter anderem Platz bieten wird für die Polizeischule und bis zu 300 Untersuchungshäftlinge.
Als Regisseur Thomas Imbach zwischen 2013 und 2020 von seinem Atelier an der Hohlstrasse auf die gegenüberliegende Strassenseite schaute, bekam er einiges mit. In einer ersten Phase wurde auf dem Areal in Aussersihl-Hard der historische Güterbahnhof geschleift, was Imbach neben vielen anderen Zürchern und Zürcherinnen für einen offiziell genehmigten Akt von Vandalismus hält.
Darauf folgte das Zeitalter des planierten Brachlands, ein Zustand, den diese Stadt nie lange aushält, sodass sich in der Leere zwingend irgendwann ein Street-Food-Festival ausbreitet. Dann die Ära der Grossbaustelle, wo die Errichtung des umstrittenen Polizeizentrums beginnt, dessen Bezug 2021 geplant ist.
Wer Freude hat an Drehbohrgeräten, befindet sich hier im richtigen Dokumentarfilm. Es tanzen die Kipper, es walzen die Walzen, der Schnitt springt, die Zeit wird gerafft oder läuft rückwärts. Das Sounddesign funktioniert wie eine Komposition, es verwandelt die Bauarbeit zuweilen in einen Roadrunner-Cartoon. Bruuuuum, quietsch! Und Pinkelpause.
Thomas Imbach hat 2011 mit «Day Is Done» schon einmal ein aus dem Atelier heraus gedrehtes persönliches Filmtagebuch vorgelegt, man kann sich also fragen, ob er überhaupt noch aus dem Haus geht. Anderseits steht er da oben wie ein Sniper mit der 35-mm-Kamera, er scannt das Blickfeld auf Intimes und Allgemeines, und manchmal muss er sich vorgekommen sein wie ein Spanner.
Sein «Nemesis» ist nicht einfach ein gefilmter Bericht fürs Sozialarchiv, sondern ein welthaltiges Porträt aus der Innenperspektive; bei Imbach gibts ja immer beides, die überraschende Bildkomposition und die dokumentarische Beobachtung. Jetzt ist es eine Beobachtung der Zeit, wie sie sich dehnt und zusammenzieht, wie etwas langsam stirbt oder einfach nur auf bessere Zeiten hofft.
Dazu erinnert sich der Regisseur aus dem Off an verstorbene Freunde wie Peter Liechti, und man hört Fluchtgeschichten von Menschen, die im Gefängnis in der Schweiz auf ihre Ausschaffung warten. Ein Stück Stadtgeschichte weitet sich da zu einem politischen Essay über die nationale Obsession mit dem Verbergen; alles Unangenehme wird rückgebaut oder weggesperrt, und wenn noch etwas übrig ist an Fremdem und Auffälligem, wir es von der Zeit zurechtgeschliffen.
Dabei ist es wie mit den Arbeitern auf der Baustelle, man gewinnt sie irgendwann lieb, auch wenn das neue Gebäude gesichtslos bleibt. Die imaginären Kräfte sind in «Nemesis» immer da, man kann betonieren, wie man will. Es gibt Sabotageakte und Aneignungen von unten; einmal klettern zwei Verliebte auf einen Kran und legen sich auf den Zwischenboden, die Beine in den Himmel gestreckt.