In den Gängen
Thomas Stuber, Allemagne, Autriche, 2018o
Christian, 27 ans, perd son emploi sur un site de construction à la suite d'une imprudence. Il retrouve un job dans un magasin qui est un nouveau monde pour lui. Il y fait la rencontre de Marion, qui a une dizaine d'années de plus que lui.
Einer der schönsten Filme von 2018, grosses Kino in der vermeintlich trostlosen Welt eines Engros-Marktes, wo die Belegschaft die Weihnachtsfeier auf der Laderampe mit Aussschussware begeht und eine Palmentapete zum Geräusch der Gabelstapler schon ein Stück Strand bedeutet. Es braucht drei Dinge, damit sowas glückt und uns ZuschauerInnen glücklich macht: Bedingungslose Liebe zu den Figuren, hinter deren ramponierten Fassaden lauter Herzen aus Gold schlagen. Eine überragende Besetzung, der man das Alles ohne Wenn und Aber abnimmt. Und einen exzellenten Regisseur, der mit seiner Crew die Poesie im Profanen auslotet und das Wunder der filmischen Verwandlung vollbringt, ohne die Grenze zum Kitsch je massiv zu queren. Der Quartalstrinker Aki Kaurismäki konnte das in seinen besten Tagen, heute können es ein paar deutsche Lakoniker besser als sonstwer, allen voran Thomas Stuber in diesem aus aus trüben Ex-DDR-Gewässern destillierten Korn. Keinesfalls den Walzer der Gabelstapler gleich am Anfang verpassen: Kubrick brauchte für sowas die gewaltigsten Raumschiffe im Universum, hier reichen ein paar Gänge voller Gestelle und Lagerarbeiter, die ihr Metier so gut beherrschen wie der Regisseur das seine.
Andreas FurlerLe couple formé par la vendeuse déprimée et le conducteur de chariot introverti est une vraie réussite, portée par les deux comédiens en vogue du cinéma allemand, Sandra Hüller (Toni Erdmann) et Franz Rogowski (Transit).
Frédéric StraussGleich zu Beginn, wenn Thomas Stuber den wortkargen Gabelstaplerfahrer Christian (Franz Rogowski) zum Donauwalzer durch die labyrinthischen Gänge schweben lässt, ahnt man: Das Kubrick-Zitat ist keine Anmaßung. Hier sucht (und findet) einer in den stinknormalen Routinen eines Leipziger Großmarktes eine stille Schönheit. Zärtlich ist der Blick, mit dem sich Stuber durch die neonbeschienene Konsumtristesse bewegt und von Solidarität, Einsamkeit und der aufkeimenden Liebe zwischen Getränke-Christian und Süßwaren-Marion (Sandra Hüller) erzählt. Aus einem seelenlosen Arbeitsalltag schält er die Menschlichkeit hervor.
Annett ScheffelGalerie photoso
Nach ihrem Erfolg «Toni Erdmann» hat sich Sandra Hüller neu orientiert – und fährt «In den Gängen» Gabelstapler. Eine Begegnung.
Sie hat alles im Griff, auch den Gabelstapler. Sandra Hüller saust damit zwischen den Regalen durch, beim Einräumen von Waren im Grossmarkt. «Selbstverständlich habe ich das Gefährt selber gesteuert, da war keine Stuntfrau am Werk», beantwortet sie die entsprechende Frage. Sie spielt Marion, die Frau von den Süsswaren, in die sich der Neue im Team (Franz Rogowski) verliebt. «In den Gängen» ist ein Sozialdrama, das manchmal ins Utopische kippt, es macht traurig und glücklich zugleich. Unmöglich? «Aber so ist das Leben», erwidert die deutsche Schauspielerin.
Sandra Hüller (39) wurde einem breiten Publikum als Hauptdarstellerin in «Toni Erdmann» bekannt. Darin war sie die knallharte Geschäftsfrau, die die Kapriolen ihres Vaters aushalten musste. Danach hatte sich Hüller als gefeierte Schauspielerin der Frage zu stellen, was sie nun spielen könnte. Sie wählte zwei kleine, aber wichtige Nebenrollen. Die eine eben im Grossmarkt-Film von Thomas Stuber, gedreht nach einer Kurzgeschichte von Clemens Meyer («Ich verehre ihn als Autor.»). Die andere als Lehrerin an der Seite von Elyas M’Barek in der Komödie «Fack ju Göhte 3» («Für mich geht der Humor darin an die Schmerzgrenze.»). Wieso gerade diese Filme? «Ach wissen Sie, die Erwartungen waren nach ‹Toni Erdmann› so hoch, dass ich dachte, ich mache jetzt etwas ganz anderes.»
Ganz anders ist ja gut, aber Sandra Hüller hat – es ging drehtechnisch gar nicht anders – beides gleichzeitig gemacht: Es gab Nächte, in denen sie in der Gegend von Leipzig «In den Gängen» drehte und am Tag dann in München «Fack ju Göhte». Geschlafen hat sie auf der Fahrt im Auto, während sie hin- und herchauffiert wurde. Zugute kam ihr dabei, dass sie auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen konnte, auch von der Bühne. In der Schweiz kennt man sie aus Basel (wo sie im Ensemble war) und vom Neumarkt-Theater Zürich (wo sie regelmässig Gast ist).
Ihre Reise ist natürlich noch lange nicht zu Ende; dieses Jahr dreht sie – «Toni Erdmann» sei Dank – zwei französische Filme, darunter ein Astronautinnen-Drama an der Seite von Eva Green. Abheben wird sie deswegen nicht. Sondern so wunderbar am Boden bleiben wie die Süsswaren-Marion aus «In den Gängen».